LLG Wonnegau - Berichte

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Radtour in den Pyrenäen 2019

Eingetragen am: 22.10.2019 von: Christl Brutscher

 

Eine Bergtour mitfahren zu können, das hatte ich mir gewünscht seit ich die tollen Bilder der früheren LLG-Radfahrten gesehen hatte, aber als ich die geplante Tour in Erichs knappen Worten lesen konnte, erschrak ich dann doch: 1300 km Anfahrt , in den anschließenden 6 Tagen rund 650 km Radstrecke bei 12000 Höhenmetern und 1130 km Rückfahrt. Selbst Erichs Vorankündigung, es solle kein Wettkampf sein, sondern eine „Sightseeing Tour“ konnten mich nicht überzeugen, dass ich Freude an der Tour haben würde.

Es blieb nur eine Möglichkeit, wenn ich die Berge nicht nur aus dem Begleitfahrzeug sehen wollte: Hilfe Olaf, ich brauche ein gutes E-Bike.

1. Tag

Mittwochs morgens am 18.9.19 um 6.15 Uhr ging es dann los: Fünf durchtrainierte Männer eine super sportliche Ironman Absolventin und ich starteten im Dunkeln mit einem gemieteten Ford Bus, quer durch Frankreich, die Pausen auf ein Minimum reduziert. Erich chauffierte uns unermüdlich fast die gesamte Strecke. Im Gepäckraum stapelten sich sechs Rennräder, mein 25 kg schweres Mountainbike, jede Menge Taschen, Tisch, Bänke und eine Kühltasche.

Etwa um 19.00 Uhr kamen wir in Sarancolin, dem „Tor zu den Pyrenäen“, unseren Startort der Radtour an. Die erste Übernachtung war im kleinen Landhotel „Des Nestes (der Name war Programm), es war auch unser Restaurant mit integrierter Dorfkneipe. Kleine , aber saubere Zimmer, harte Betten, leckeres Essen (auch für unseren Veganer Harald) 2 bis 3 große Krüge Rotwein war die Bilanz des Abends.

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2. Tag

Am 19.9. morgens um 7 Uhr Frühstück, Fahrräder zusammenbauen, Taschen verstauen, erstes Gruppenfoto und Start. Der Himmel war noch wolkenverhangen und kühl.

Kurze, recht ebene Einrollstrecke von ca. 7 km, dann ging es rechts ab auf einer „route historique“ in Richtung Col d‘Aspin (1489 m). Etliche Kilometer lang schlängelte sich die schmale Straße aus dem engen Tal hinauf, Bach, Wald, Obstbäume, Wiesen, der Blick auf die Landschaft wurde freier. Mit meist moderater Steigung ging es dem immer blauer werdenden Himmel entgegen. Ich hatte mich am ersten Morgen für das Autofahren gemeldet und war gleich nach der Abfahrt der Radler im winzigen Dorfsupermarkt für unser Picknick einkaufen. Auf dieser schönen „route de Col d‘Aspin“ holte ich unsere Radler ein. Mit Stolz und heimlicher Freude genoss ich, wie gut sich meine Truppe in ihrem einheitlichen, gelb-blauen Raddress mit der Aufschrift LLG Wonnegau gegen eine ebenfalls gestartete Gruppe amerikanischer Radfahrer mit professioneller Reisebegleitung behaupten konnte. Einen nach dem Anderen hängten sie ab. Besonders Erwin radelte fröhlich und locker an den Keuchenden und Schwitzenden vorbei. Er probierte an diesem Morgen das E-Bike aus. Am Pass angekommen wurden wir von einer Herde 4-beiniger Zuschauer begrüßt, sodass man sich durchschlängeln musste. Ein herrlich Ausblick auf die Berglandschaft zeigte uns schon unser nächstes Ziel für diesen ersten Fahrtag, den Tourmalet. Nach einer kurzen Rast und Fotoshooting ging es in rasanter Fahrt bergab. Ich hatte mit Erwin das Fahrzeug getauscht und bemühte mich, unsere Sportler im Tal nicht so lange warten zu lassen. Daher trat ich auch bergab kräftig in die Pedale. Und trotzdem überholte mich Michael mit seinem Rennrad, als ob ich im Sightseeing Modus gefahren wäre. Aber wenigstens in den oft feuchten und daher rutschigen Kurven konnte ich mit meinem Mountainbike mithalten, sodass der Abstand nicht allzu groß wurde. Jetzt kam der 19 km lange Aufstieg zum berühmt berüchtigten Tourmalet, mit 2115 m dem höchsten Punkt unserer Radtour. Den wollten wir alle unbedingt bezwingen. Wie an jedem Pyrenäenpass gibt vor jedem Kilometer auf der Strecke ein Schild die Entfernung zur Passhöhe und die durchschnittliche Steigung diese Streckenabschnitts an. Die von wenigen Autos befahrene Straße gewährt immer neue und großartigere Ausblicke auf die wunderschöne Berglandschaft und die zahlreichen Gipfel ringsum. Wenige Kilometer vor der Passhöhe fordert der Berg noch einmal alle Kräfte in einem steilen Anstieg. Schon viele Radler werden sich den Streckenschildern an diesem Abschnitt mit letztem Kraftaufwand entgegen gekämpft haben.

Mit einer steilen, lang gezogenen Kurve geht es zum ersehnten Ziel, dem Pass mit der berühmten Radfahrerskulptur. Natürlich muss Jeder hier einmal für ein Foto posieren.

Kalt ist es dort oben, zu kalt für ein Picknick. Beinlinge, Armlinge, Schals und Jacken werden für die eisige Schussfahrt in die Tiefe übergezogen und trotzdem meint man, beim bis zu 70 km schnellen „Teufelsritt“ in die Kühltruhe zu fallen. Bei diesem Tempo gibt es kaum Gelegenheit für unvorsichtige Blicke in die Gegend und in wenige Minuten sind wir wieder tief unten im warmen Tal. Neben der Straße bietet sich jetzt ein Picknickplätzchen, weil es schon so spät ist ohne Bänke und Tisch, aber unsere Sportler brauchen Energienachschub. Gestärkt fahren wir die letzten ca. 30 km mit geringem Auf und Ab nach Argeles-Gazost. Ausgerechnet beim allerletzten, zum Glück mäßigen Anstieg verabschiedet sich noch mein Akku, sodass ich jetzt weiß, wie sich das Gewicht eines 25 kg Mountainbikes wirklich anfühlt.

Unsere Unterkunft ist heute ein charmantes Hotel im englischen Stil mit schöner, sonniger Gartenterrasse für‘s „Feierabendbier.“ Hier ziehen wir die Bilanz des ersten und unglaublich schönen Tages: 85 km Fahrstrecke und 2800 Höhenmeter in 8

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3. Tag

Am nächsten Morgen, Freitag dem 20.9.19 nach einem üppigen Frühstück brachen wir auf zur Etappe mit den meisten Höhenmetern. Die Luft war herrlich frisch nach nächtlichem Regen und auf einer leicht welligen, völlig ruhigen Nebenstraße genossen wir die ersten Kilometer bis zur Passstraße, die zum Col de Soulor (1474 m) hinaufführt. Wieder eine herrliche Landschaft mit stets neuen Bergpanoramen, malerischen Dörfern, dunklem Wald und leuchtend grünen Wiesen bei tiefblauem Himmel. So viel schöne Landschaft kann der Kopf gar nicht aufnehmen, wie sich hier dem Auge bietet. Gott sei Dank kann die Kamera mehr festhalten. Nach einer kurzen Abfahrt vom Pass überrascht uns eine herrliche Wegpassage, die in schwindelnder Höhe an der Felswand entlang führt und einen grandiosen Ausblick auf die in der Tiefe liegende Landschaft und die umliegenden Berge bietet. Schon erobern wir den nächsten Pass, den Col d‘Aubisque (1709 m) mit seinen Riesenfahrrädern, dann ging es im wieder Sturzflug hinunter nach Laruns, dessen schöne Ortsmitte uns einen idealen Picknickplatz bot. Kaffee und Cola holten wir aus einem Bistro gegenüber und zum Spaß setzte sich der Bistrobesitzer als erster an unseren aufgeklappten Tisch. Kaum gesättigt scharrte Erich schon mit den Hufen, denn der Col de Portalet (1794 m) war auch noch zu bezwingen. Auf der lange aufsteigenden Straße durch den Wald ging es dann in einer steilen Kurve hinauf zum Stausee. Schließlich wurde die Landschaft karger. Eine lange und weit zu überblickende Wegstrecke ließ uns die schweren Beine spüren. Dann kapitulierte auch noch kurz vorm Gipfel mein Akku, aber inzwischen hatte selbst mich der Ehrgeiz gepackt, die angepeilten Pässe zu bezwingen, daher kämpfte ich mich die letzten 2 Kilometer mit dem Rennrad hinauf, wo die Anderen schon warteten. Die rasante Fahrt hinunter nach Spanien begleitete ich dann wieder im Bus und beobachtete voller Stolz, wie unsere Sportler die kurvenreiche Abfahrt meisterten und dann als Team in Biescas einfuhren.

Kaum war das Hotel bezogen, trieb uns der Hunger in das spanische Städtchen. Wir fanden dann auch bald ein Restaurant mit leckeren Tapas und tafelten fürstlich. Wie oft wir Brot nachbestellten kann ich nicht sagen, aber ich glaube, der Kellner war schon etwas erschrocken über unseren Appetit.

Ergebnis des Tages in Zahlen: 104 Kilometer und 2560 Höhenmeter in 8 Std. 29 Minuten.

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4. Tag

Samstag der 21.9. begrüßte uns mit dicken Wolken und Nieselregen. Bus oder Rad? Unsere eisernen Radler entschieden sich im Gegensatz zu mir für ihre Rennräder und kämpften sich kontinuierlich den bevorstehenden Puerto de Cotefablo (1423 m) hinauf. An den häufiger werdenden Tunnels schirmte Erwin, unser Fahrer, die Radler von hinten ab, um sie vor den Autos zu schützen und ihnen Licht in der Dunkelheit zu bieten. Auf dem Weg hinab ins Tal von Broto wurde das Wetter besser und nach einem Kaffee im Städtchen ging es in trockeneren Kleidern weiter Richtung N260. Die stärker befahrene Straße führte uns zum schönen Örtchen Ainsa, das auf einem Berg neben der Hauptstraße tront. Für unser Picknick war das gerade recht. Brot, Olivenöl, Salz, Tomaten, Avocados, Käse, Schinken, Kuchen, Äpfel und viele, viele Bananen fielen unserem Hunger zum Opfer.

Nach ausreichender Rast gingen die Radler schon mal auf die Strecke, während Erwin und ich die Raststätte aufräumten. Auf einem öden, autobahnähnlichen Streckenabschnitt, welches sich hinauf zum nächsten Pass zog, holten wir unsere Gruppe wieder ein und kamen gerade recht zu einem kleinen Radrennen welches sich Siggi und Stefan bis zum Pass lieferten. Sieger waren beide, aber Siggi hat lauter gelacht. Überhaupt wurde es hinauf zum Col de Fortada (1020 m) mit jedem Meter schöner. Es folgte eine sehr schnelle Abfahrt (über 80 km/h) bevor die Straße dann wieder schmaler wurde und uns in ein Felsental führte. Der Weg wand sich durch eine enge, tiefe Schlucht neben einem tosenden Fluss mit hoch aufragenden Felswänden. Die abwechslungsreiche Vielfalt der Landschaften begeisterte uns und bot jeden Tag neue Highlights.

An unserem Zielort Sesue lockte uns das Navi fälschlicher Weise in die höchsten und steilsten Winkel des Örtchens, Bus voraus, alle Radler hinterher, bis wir das Hotel schließlich in der untersten Straße fanden. Aber es gab zu meinem Erstaunen kein Murren!

Unser Ziel für den heutigen Abend war ein modernes, sehr ansprechendes und ruhig gelegenes kleines Hotel. Dass wir im Nachbarörtchen ein Gourmet Lokal finden würden, hatten wir hier nicht erwartet. Der ambitionierte Koch kreierte Speisen mit japanischen und spanischen Zutaten. Sehr lecker!

An diesem Tag bewältigten unsere Radler 125 km und 1840 hm in 7Std, 30 Min.

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5. Tag

Auch Sonntag der 22.9. begann mit leichtem Regen. Zuerst ging es durch Wald bergauf über den Col de Fadas (1470 m) und Col de Espina (1407). So viele schöne Landschaften, Pässe, atemberaubende Abfahrten und unerwartete Eindrücke hatten wir bereits erlebt, dass ich nicht mehr genau zuordnen kann, welche Bilder in meinem Kopf zu welchen Pass gehören.

Auf jeden Fall kam an diesem Tag noch ein spannender Wegabschnitt auf uns zu. Eine Strecke mit vielen Tunnels, an denen der Radweg auf der alten Straße vorbeiführte verlockte unsere Radler zum Verweilen. Sie waren sogar schwimmen.

In Sort übernachteten wir in einem komfortablen 4-Sternehotel mit Sauna und Schwimmbad.

An diesem Tag brachten die Radfahrer 112 km und 1620 hm in 6 Std., 38 Min hinter sich.

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6. Tag

Am Montag dem 23.9. starteten wir in Sort zum Col de Canto (1725 m). Mittlerer Weile waren wir Alle gut eingeradelt und hatten uns an die langen Steigungen gewöhnt, es lief Alles rund. Wir nahmen wieder Kurs in Richtung französische Grenze durch die spanische Berglandschaft. Unser Ziel war ein kleiner französischer Ort namens Enveight mit riesigem Bahnhof. Hier führte uns unser Navi zickzack in immer enger werdende Gassen bis wir schließlich in einer winzigen Kreuzung feststeckten. Den Bus umdrehen gelang nur mit vereinten Kräften: 2 cm zurück, 2 cm vor und das 25 Mal hintereinander.

Unsere ansprechende, rustikale Unterkunft ähnelte für unsere „Jungs“ einer Jugendherberge mit Stockbetten. Beim Frühstück war die Dame des Hauses etwas zickig, als der Kaffee nicht reichte. Dafür gab es am Abend vorher nach einer komplizierten Essensbestellung riesige Pizzas im Bahnhofsbistro.

Dieser Tag brachte 106 km und 1920 hm in 7 Std., 11 Min. auf den Tacho.

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7. Tag

Der letzte Radfahrtag, Dienstag der 24.9. bringt noch einmal fantastische Highlights. Zunächst einmal geht es bei kühlen Temperaturen steil nach oben zum Col de Puymorens (1920 m), dem zweit höchsten Pass unserer Tour. Die Straße nach Andorra lassen wir links liegen und biegen rechts ab hinunter nach Ax les Termes. Die Radfahrer sind schon weg, als wir mit dem Auto den Zoll passieren. Wir trauen unseren Augen kaum, als Siggi uns wieder bergauf entgegen kommt. Ein kurzes Stück 4-spurige Straße ließ sie glauben, sie sei auf die Autobahn geraten. In Ax les Thermes biegen wir in Nebenstraßen ab und fahren über einige kleine, sehr schöne Pässe und romantische schmale Sträßchen kilometerweit ohne einem Auto zu begegnen. Unser letztes Wegstück nach Quillan führt uns nochmals auf fast ebener Strecke durch ein imposantes Tal mit Felsüberhängen und Durchbrüchen, begleitet von einem reißenden Fluß.

Ein leckeres Abschiedsabendessen beendet diesen Tag mit 120 km bei 1760 hm in 6 Std. und 22 Min.

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8. Tag

Am Mittwoch dem 23.9. brechen wir zur Heimfahrt auf. Eine unvergesslich schöne Woche hatten wir verbracht. Wir hatten Glück in jeder Hinsicht: Richtigen Regen hatten wir nie, aber oft Sonne, wir hatten keine Unfälle und keine Krankheiten, keine Pannen und die Stimmung im Team war immer gut. Erwin und Erich haben eine abwechslungsreiche Tour geplant und uns sicher gefahren, prima versorgt und waren zur Stelle, wenn wir sie brauchten. Unser Captain Erich hat uns souverän geführt und Alles hervorragend organisiert.

Herzlichen Dank für diese erlebnisreiche Radreise, schöner hätte sie nicht sein können. Ich träume schon von der nächsten Tour.

Christl

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