LLG Wonnegau - Berichte

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Ottawa Marathon

Eingetragen am: 21.06.2015 von: Dieter Hoewler

 

Als ich Ende letzten Jahres erfahren hatte, dass ich im 2. Quartal 2015 geschäftlich für zwei Wochen nach Montreal in Kanada darf, war die Freude verständlicherweise groß. Mein erster Gedanke war, wie weit sind wohl die Niagara Fälle entfernt. Natürlich habe ich mir umgehend schon gleich mal über die touristischen Möglichkeiten in Kanada einen Überblick verschafft.
Zusätzlich hatte ich per Radio erfahren, dass die irische Rockgruppe U2 in Q2 in Kanada eine Tournee macht. Durch einen Konzertbesuch von U2 in Kanada könnte ich meinem Kanadaaufenthalt noch ein zusätzliches Highlight verschaffen. Nun ja ich interessiere mich ja nicht nur für Musik, sondern Sport ist ja auch nicht ganz unwichtig. Hmm, ein Marathon in Kanada wäre natürlich ja auch ein Ding. In Montreal findet zwar ein Marathon statt aber der ist erst im September, was nicht so ganz zum Geschäftstermin in Q2 passt. Eine schnelle Internetrecherche ergab: Ottawa am 24.5.2015 und Ottawa ist nur 200km von Montréal entfernt – das passt also ja schon mal. Erfreulicherweise konnte ich meinen Geschäftstermin zu meinem Marathon in Kanadas Hauptstadt passend machen.
Am Vatertag (14.5.15) startete ich dann mein Ausflug und zwar nicht mit dem Bollerwagen, sondern mit dem Airbus und den Laufschuhen im Gepäck nach Montréal – Erich, natürlich hatte ich auch LLG Laufshirt dabei.
Mein Kanada Trip startete dann zunächst mit einem zunächst 10-tägigen Urlaub an dessen Ende dann der Marathon stattfinden sollte. Meine Sightseeing Tour führte mich zunächst Richtung Norden nach Québec City, dann zu den Montmoerency Wasserfällen, die zwar nicht so gewaltig (die Breite ist deutlich geringer) sind wie die Niagara Fälle aber mit einer Fallhöhe von 83m um ca. 30m höher sind als die wesentlich bekannteren Wasserfälle an der Grenze zur USA zwischen dem Erie- und dem Ontario-See an der Grenze zu den USA. Danach ging’s dann in Richtung Süden über Kingston (1000 Inseln) zu den besagten Niagara Fällen und anschließend dann nach Toronto. Der CN Tower ist in Toronto ein absolutes Muss. Es ist beeindruckend Torontos Skyline aus 447m zu Füßen liegen zu haben. Nach relativ kurzem Aufenthalt in dieser 5,5 Millionen Stadt ging’s dann nach Ottawa, zum Ort des Geschehens.
Am Freitag vor dem Marathon dann das übliche Programm – Startunterlagen holen und dann ein Bummel über die Marathonmesse. Dies habe ich dann gleich mit einer Sightseeing Tour durch Ottawa verbunden. Eines meiner Fotomotive war neben dem Regierungsviertel auch das nahe gelegene Hotel Fairmont Chateau Laurier, welches sich die deutschen Fußballerinnen als Quartier ausgesucht haben – ganz in unmittelbarer Nähe des Start- und Zielbereichs des Marathons. Hierbei habe ich mir natürlich Streckenabschnitte des Marathons mal angeschaut. Ok, relativ flache Strecke, skeptisch hat mich jedoch der stetig starke Wind gestimmt. Samstags kamen dann ein Temperaturabfall auf -2°C (mit Wind dann -6°C) hinzu. Da der Startschuss sonntags um 7:00h fallen sollte, sah ich natürlich ein Kleidungsproblem auf mich zukommen. Jedoch sollte sich dann für Sonntag noch alles zum Guten wenden, es waren 13°C und zu Beginn relativ wenig Wind vorausgesagt.
Samstags hatte ich meinen Lauf dann soweit vorbereitet, dass ich mir einen Parkplatz (mein Hotel war knapp 10km von der Innenstadt entfernt) in der Nähe des Starts herausgesucht hatte, von dem ich dann unter der Berücksichtigung der gesperrten Straßen dann nach dem Lauf dann noch zum 200km entfernten Montréal fahren konnte.
Am Sonntag um 4:15h – 4:00h war mir einfach zu früh – klingelte dann der Wecker bzw. das Handy, um dann möglichst zeitig in der Innenstadt zu sein, um dann und eine freie Zufahrt zu meinem ausgewählten Parkplatz zu haben. Die Sperrungen sollten um 6:00h beginnen aber wie ich dann feststellen musste, hatte ich bereits um 5:15h Umleitungen in Kauf nehmen, um zu meinem Parkplatz in der St. Patricks Street zu kommen. Auf dem ca. 1km langen Fußweg zum Startbereich hatte ich noch das Vergnügen mit einigen Mitstreitern plaudern zu können. Es ist schon erstaunlich wie unterschiedlich manche Sportler ihre Nervosität vor ihrem ersten Marathon ausleben – ich durfte die Variante miterleben: sei fröhlich, lache und erzähle so viel wie du kannst, dann hat die belastende Variante der Nervosität keine Chance. Diese Facette der positiven Stressbewältigung hatte ich in dieser Form noch nicht erlebt. Schade, dass ich diese Sportlerin nach dem Lauf nicht mehr gesehen hatte, dies wäre sicherlich noch sehr unterhaltsam gewesen.
So, nachdem ich dann etwa um 6:.00h am Startbereich angekommen war, verschaffte ich mir zunächst mal einen Überblick über die Startblöcke und ließ das bereits aktive Treiben dieser Veranstaltung auf mich einwirken. Ich nutzte die verbleibende Zeit zur mentalen Vorbereitung, ich hatte hierbei vornehmlich den Ort des Geschehens im Fokus. Marathon in Kanadas Hauptstadt und ich bin dabei, dies wird für mich ein ganz besonderer Lauf sein, den ich nie vergessen werde. Nun ja, keinen der bereits 8 zuvor absolvierten Marathons habe ich bisher vergessen aber trotzdem Ottawa ist halt doch was Besonderes.
Nachdem ich mich warm gemacht hatte, ging‘s dann zum Startblock. Meine Blau markierte Startnummer besagte, dass ich mich in den 2. Startblock nach den Profis einsortieren sollte. Scheinbar habe ich zu dieser Uhrzeit schon einen wachen bzw. schnellen Blick drauf gehabt, jedenfalls wurde ich von den Ordnern weiter nach vorne geschickt, womit ich dann mitten im 1. Block stand – ein paar Meter hinter den Kenianern und Äthiopiern. War schon ein cooles Gefühl den Marathonsprintern so nah zu sein. Die Moderatoren zeigten einige Aktivitäten, um die Stimmung vor Ort anzuheizen, was zu dieser frühen Uhrzeit zunächst nicht ganz einfach war. Dann wurde noch kurz vor dem Start von einem wirklich guten Sänger auf der Bühne ein Lied gesungen, bei diesem einige Läufer in meinem Umfeld sich textsicher mit einstimmten. Eine später durchgeführte Internetrecherche ergab – ja es war die kanadische Nationalhymne.
Pünktlich um 7:00h war es dann so weit. Dass ich gerade mal 4 Wochen vorher in Hamburg einen Marathon absolviert hatte, ließ mich in keinster Weise nervös werden. Einfach mal loslaufen und sehen was passiert. Meine vorhandene Grundlagenausdauer wird mich früher oder später schon ins Ziel bringen, ich werde auf jeden Fall Spaß haben!
Nach dem Startschuss dachte ich, ich wäre bei einem 5km Rennen, alle stürmten an mir vorbei – klar ich war zu weit vorne aber ich war ja nicht der einzige, der so weit nach vorne geschickt wurde. Wenn jeder an dir vorbei saust, dann wirste dann doch etwas unsicher. Mein Blick auf die Uhr zeigte mir eine 3:50er Pace, ja man bin ich denn jäck? Kerl mach‘ langsam, dann die Vibration an meinem Handgelenk, der 1. Km war vorbei: 4:08. Für einen 10km wäre dies ja in Ordnung aber heute steht eine andere Distanz an – schau auf deine Uhr und nicht auf die Mitläufer, dann ist gut. 4:32 bei km 2, ok so allmählich nähere ich meiner geplanten Pace, die so irgendwie so bei 4:40 – 4:45 liegen sollte. Auch nachdem ich nun in einem für mich passenden Tempo lief, wurde ich nur überholt. Ich dachte nur, das muss irgendwann mal aufhören. Als mich der Pacemaker für Marathonendzeit 3:15h überholte, dachte ich noch das ist ok. Dann kam der 3:20h Pacemaker an mir vorbei, nun jetzt muss ich aber mal aufpassen. Der 3:20er Pacemaker lief jedoch etwa 20-30m hinter dem 3:15er Läufer, der 3:20er also eindeutig zu schnell unterwegs. Schaue auf deine Uhr und die km-Markierungen, verlasse dich auf dich selbst und außerdem war ich mir sicher den Einen oder Anderen später wieder zu sehen.
Zwei Läufer so etwa 30 Jahre alt kamen noch an mir vorbei, deren Laufshirt verriet, dass sie aus Dänemark angereist waren. Am Start sah ich noch einen Teilnehmer aus Portugal, es waren dann doch vereinzelt ein paar Europäer am Start vor Ort. Vermutlich ja noch einige mehr, meinem Shirt mit der Aufschrift LLG Wonnegau ist ja nur bedingt zu erkennenentnehmen, dass ich aus Deutschland bin.
Die Laufstrecke führte dann an vielen Punkten vorbei, die ich am Freitag zuvor schon besucht hatte aber dann gab’s doch tatsächlich einen Streckenabschnitt, der mir völlig unbekannt war. Mist, den hatte ich außer Acht gelassen. Mein spontaner Gedanke war, da gehste nach dem Lauf nochmal hin und schaust du dir das an und machst ein paar Fotos – ja will ich denn das wirklich, ich hatte ja noch ca. 30km vor mir und wusste nicht welchen Einfluss Hamburg auf meinen Lauf noch haben wird.
Als ich mich dann die Halbmarathonmarke passierte, war meine Zeit knapp unter 1:40h, bei Beibehaltung des Tempos wäre dies dann eine Zeit knapp unter 3:20h. Wäre toll aber ich wusste eigentlich schon, dass ich dies heute nicht schaffen würde, denn das Tempo war schon recht ehrgeizig, zudem wurde es wärmer und der Wind legte zu. Eigentlich hätte ich ja mit einer Zielzeit von 3:30h deutlich entspannter laufen können, ich hatte ja für diesen Lauf eine andere Zielsetzung aber jeder, der mich kennt weiß, dass ich auch stets bemüht bin eine gute Zeit zu laufen und hierbei sehr selten eine Ausnahme mache – also weiter.
Dann bei km 27 sah ich tatsächlich eine Gruppe der afrikanischen Läufer entgegenkommen. Hier agierte ein Läufer für 5 Läuferinnen als Pacemaker. Ich sag’s mal ganz offen, was in diesem Moment mein erster spontaner Gedanke war: super ich bin ja gar nicht so weit hintendran... Mein zweiter Gedanke sortierten die wirren Gedanken dann wieder richtig ein: hier kommt nun eine sehr lange Wendeschleife auf dich zu (dank Garmin konnte ich später dann die Länge der Wendeschleife dann mit 11km beziffern). Bei km 30 gönnte ich mir dann den Luxus an einer Getränkestelle mal eine Stehpause zu gönnen, in der ich dann nacheinander 5 oder 6 volle Becher Wasser trank. Mittlerweile war es nämlich sehr warm und sonnig geworden (Helfer verteilten dann auch Sonnenmilch) und ich konnte während dem Laufen nicht mehr die benötigte Flüssigkeitsmenge aufnehmen.
Ein Wort noch zu den Zuschauern entlang der Strecke. Verglichen mit Hamburg ist Ottawa mit ca.knapp 6.000 Marathonis eine kleinere Veranstaltung, wenngleich es der größte kanadische Marathon ist. Zuschauer gab’s auch nicht so viele wie in Hamburg – aber – jeder einzelne Kanadier hat die Anfeuerungsqualität von ca. 3 deutschen Zuschauern, mit anderen Worten an der Strecke ging die Post ab, es war einfach super. Später konnte ich dann feststellen, dass Kanadier wirklich feiern können!
So weiter auf der Strecke. , mittlerweile hatte ich doch schon einige wieder einkassiert, die mich zuvor überholt mit zu ehrgeizigen Zielen überholt hatten, die ersten Geher sah man schon ab km 15. Auch die beiden Kollegen aus Dänemark sah ich wieder, na ja die waren ja noch recht jung und haben ja noch Zeit entsprechende Erfahrung bzgl. Renneinteilung zu sammeln. Auf mich wirkte das natürlich motivierend und dies half mir mein Tempo so annähernd aufrecht zu erhalten. Bei km 38 kam ich dann an die Stelle vorbei, wo ich 11km zuvor die afrikanischen Läuferinnen gesehen hatte, die sich von einem Profi-Pacemaker unterstützen ließen. Nun wusste ich, dass ich nach Hamburg eine prima Zeit erreichen würde, da ab diesem Zeitpunkt die kanadischen Zuschauer (Faktor 3!) jede Schwäche der Marathonis mit ihrer enormen Unterstützung ausgleichen würden. Die letzten km waren dann auch einfach gigantisch und ich kam mit 3:22:08 (gut 2 Minuten schneller als in Hamburg) ins Ziel und war einfach begeistert von allem, was ich hier erleben durfte. Die Endzeit bedeutete dann Platz 16 von 239 in meiner AK ( Garmin Aufzeichnung, Ergebnisliste).
Eine toll organisierte Veranstaltung, die lediglich bei der Verpflegung im Zielbereich eine Schwäche zeigte. Wer mag schon die Sachen trinken, die er die letzten 42 getrunken hatte (Wasser und Getorade) oder Kakao ist nicht unbedingt das was man sich so vorstellt. Aber ich hatte ja schon während meines Aufenthalts in Ottawa festgestellt, dass es hier nicht ganz einfach ist ein Bier zu bekommen und dann noch eins ohne Alkohol ( Impressionen Ottawa Marathon)?
Nach einer Stunde der Regeneration im Zielbereich machte ich mich dann auf dem Weg zu meinem Leihwagen und war dann wie geplant recht schnell auf dem Highway Richtung Montréal unterwegs, wo dann am darauffolgenden Tag mein erster Arbeitstag in Kanada stattfinden sollte. Nach zwei sehr angenehmen Arbeitswochen konnte ich noch am letzten Abend vor meinem Rückflug (4.6.15) in Montréals Innenstadt die Party für das anstehende Formel 1 Wochenende auf Montréals Île de Notre Dame miterleben.
I had a really great time in Canada, met a lot of awesome people, I’ll come back for sure!

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